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Verhandeln: Die wichtigsten Tipps für ein erfolgreiches Feilschen

Im Familienkreis, mit der Vorgesetzten oder auf dem Flohmarkt: Feilschen gehört zum Alltag dazu. Ob Verhandlungsgespräche zum Erfolg führen, hängt auch von der inneren Haltung ab.

© epicimages | iStockphoto

Junge Frau, ich sehe doch, dass dir dieses Tuch gefällt – komm näher und schau es dir genauer an, das ist beste Qualität!« Wer schon einmal auf dem orientalischen Basar unterwegs gewesen ist, kennt solche Szenen. Einladungen von Händlern, sich für ein paar Minuten auf ein Glas Tee zu setzen, freundliches Geplänkel über Herkunft, Familienstand und Sprachkenntnisse und dann in mehreren Schlenkern der Weg zum Verkaufsgespräch: »Feinstes Material, alles Handarbeit. Weil du so sympathisch bist, mache ich dir ein besonders gutes Angebot. Ich verdiene nichts dabei.« Manche Menschen laufen bei solchen Verhandlungsgesprächen auf Hochtouren und haben Spaß am Hin und Her. Anderen ist es unangenehm, um den Preis eines Produkts feilschen zu müssen. Sie zahlen im Zweifel lieber einen zu hohen Festpreis – kommen aber womöglich auch beim Gespräch über ein höheres Gehalt schlechter weg oder ziehen in der Diskussion übers nächste Urlaubsziel den Kürzeren. Denn Verhandlungen begegnen uns überall im Alltag, und Fachleute sind sich einig: Feilschen lässt sich trainieren, und allein der Versuch lohnt sich.

Erfolgreich Verhandeln ist möglich

»Handeln ist in den Köpfen der Menschen eher negativ behaftet«, weiß Jennifer Schledorn, Mentorin für Verkauf und erfolgreiche Kommunikation. Kann ich das? Darf ich das? Wie wird das Gegenüber reagieren? Solche und andere Fragen halten Menschen häufig von möglichen Verhandlungen ab. Dabei kann im Zweifel nicht viel passieren: »Im schlimmsten Fall bekomme ich ein Nein zu hören, im besten einen besseren Preis. Es geht darum, dass ich für mich sagen kann: Ich hab’s versucht, ich kann mir nichts vorwerfen.«

Laut Schledorn hat die innere Haltung viel damit zu tun, ob eine Verhandlung erfolgreich verläuft. »Es geht darum, dass ich souverän bin, aufrecht stehe, mit einer klaren Stimme spreche.« Genauso wichtig: ein klares Ziel vor Augen haben. »Ich sollte für mich wissen: Was habe ich vor? Was will ich?«

Keine Angst vor Gehaltsverhandlungen

Verhandlungsexpertin Claudia Kimich berät unter anderem Menschen, die Hilfe bei der Vorbereitung für eine Gehaltsverhandlung brauchen. Dabei tun sich Frauen meist schwerer als Männer. Einer repräsentativen Yougov-Umfrage zufolge hat nur jede dritte Frau im Laufe ihrer Karriere überhaupt schon einmal eine Gehaltserhöhung verlangt, bei Männern ist es fast jeder zweite. Häufig sei es die Furcht vor der Reaktion des Gegenübers, die das Handeln so schwer mache. »Der größte Punkt ist, dass wir viele Dinge persönlich nehmen«, so Kimich. Es gehe nicht darum, dass der andere sich vielleicht schlecht fühlen könnte. »Viel sinnvoller ist es, sich um die eigenen Gefühle zu kümmern. Wenn es in meinem Bauch grummelt, hat das vermutlich einen Grund. Und wenn ich für andere besser verhandeln kann als für mich selbst, hat das auch einen Grund.« Darum geht es in ihren Trainings oft erst einmal weniger um Verhandlungstaktiken als um Selbstwert und Persönlichkeitsentwicklung: »Verhandeln ist ein guter Spiegel des eigenen Selbstbewusstseins: Ich bin mir meiner selbst bewusst mit allen meinen Stärken und Schwächen. Und idealerweise mag ich mich dabei.«

Preisverhandlungen auch im Einzelhandel möglich

Wenn das geklärt ist, geht’s ans Training. Denn Feilschen ist überall erlaubt. Mit Ausnahme von preisgebundenen Artikeln wie Büchern oder Tabak lassen sich auch im deutschen Einzelhandel Preise verhandeln. Gute Chancen auf einen Rabatt hat, wer sich vorab über ein bestimmtes Produkt informiert, über Vergleichspreise Bescheid weiß und die eigene Preisvorstellung mit starken Argumenten belegen kann. Je größer der Umsatz, desto besser die Chancen auf einen Preisnachlass. Das gilt für größere Anschaffungen wie den Kauf eines Autos oder einer Küche genauso wie bei Kleidung oder Elektrogeräten.

Fachgeschäfte, Flohmärkte oder Online-Marktplätze sind laut Kimich ideale Orte fürs Training. »Was man dort wirklich gut lernen kann, ist, die Machbarkeit einzuschätzen. Nach welchen Regeln funktioniert das Spiel des Feilschens? Wann ist Schluss?« Dort könne man üben, den eigenen Charme einzusetzen und Spaß am Verhandeln zu entwickeln.

Handeln ist in den Köpfen der Menschen eher negativ behaftet.

Jennifer Schledorn, Mentorin für Verkauf und erfolgreiche Kommunikation

Gute Vorbereitung spielt eine wichtige Rolle beim Verhandeln

Der Diplom-Psychologe Everhard von Groote hat als Verhandlungsexperte und Mitglied einer polizeilichen Spezialeinheit auch schon Gespräche mit Entführern und Geiselnehmern geführt. Was ihn dabei anfangs überraschte: »Dass Menschen selbst in diesen extremen Situationen vorhersagbar reagieren und durch kluge Kommunikation und gute Verhandlungen in ihren Entscheidungen beeinflusst werden können.« Nicht nur für das Gespräch mit Kriminellen, sondern für Verhandlungen aller Art sei es darum wichtig, sich gut vorzubereiten. »Ich versuche vorher, die Situation zu verstehen und zu durchdenken. Und ich überlege: Was ist meine Alternative und die Alternative des Gegenübers, wenn die Verhandlung nicht erfolgreich verläuft?«

Wer einen guten Plan B hat, startet automatisch entspannter in eine Verhandlung. Das legten auch der Rechtswissenschaftler Roger Fisher und der Verhandlungsexperte William Ury 1981 in ihrem Buch »Getting to Yes« dar, das sich in Deutschland unter dem Titel »Das Harvard-Konzept« als Standardwerk in Sachen Verhandlungen etabliert hat. Eine der prominentesten Ideen daraus: das BATNA-Konzept, die »Best Alternative to a Negotiated Agreement«, auf Deutsch »die beste Alternative, wenn es keine Einigung gibt«. Um für sich die beste BATNA herauszufinden, gilt es, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Was passiert, wenn die Verhandlung fehlschlägt? Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben mir? Welche von diesen Möglichkeiten lässt sich am besten umsetzen? Und welche würde mir den größten Vorteil bringen? Ein Vergleich der einzelnen Möglichkeiten, mit der realistischen Einschätzung des Erfolgs, führt schließlich zur persönlichen besten BATNA.

Mit einer oder mehreren guten Alternativen im Hinterkopf lässt sich gleich etwas ruhiger verhandeln, denn die Ersatzlösungen machen unabhängig vom Verhandlungspartner und vergrößern gleichzeitig die eigene Macht. Die Vorgesetzte mauert beim Thema Gehaltserhöhung und lässt nicht mit sich reden? Wer dann vorher recherchierte Konkurrenzfirmen ins Spiel bringt, die freie Stellen zu besetzen haben und ähnlich viel oder sogar mehr bezahlen, könnte hier das Gespräch wieder zum Laufen bringen.

Verhandlungsgespräch in zwei Phasen

Für Everhard von Groote gibt es im eigentlichen Verhandlungsgespräch zwei Phasen. In der ersten nähern sich die Verhandlungspersonen inhaltlich einander an, erfassen die Situation. Im Gespräch mit einem Erpresser würde das zum Beispiel bedeuten zu erfahren, welche Daten gestohlen wurden, was das für das betroffene Unternehmen bedeutet, welche Position der Erpresser hat. Wichtig dabei: »Wir bauen eine Beziehung zueinander auf. Denn wenn das nicht funktioniert und wir in feindlicher Position zueinander bleiben, wird auch die Verhandlung nicht erfolgreich verlaufen.«

In ihrem Harvard-Konzept nennen Fisher und Ury fünf Grundbedürfnisse eines jeden Menschen: Wertschätzung, Verbundenheit, Autonomie, Status und Rolle. Wer sich im Vorfeld der Verhandlung zur eigenen Person, aber auch für das Gegenüber zu diesen Bedürfnissen ein paar Gedanken oder sogar Stichpunkte macht, bekommt ein Gefühl für die emotionale Lage des Gegenparts und kann während des Gesprächs dementsprechend reagieren.

Selbst wenn man in der Sache nicht zustimmen kann, drücken Worte wie »Ich verstehe deine Situation« mindestens die Anerkennung für die Wünsche, Sorgen und Kompetenzen des Gegenübers aus. Eine Verbindung zwischen beiden Seiten schafft, wer von gemeinsamen Interessen und Zielen spricht. Niemand will unter Zwang etwas entscheiden müssen, sondern frei sein zu wählen. Anstatt selbst Lösungsvorschläge aufzuzählen, ist es ratsam, die andere Person einzubeziehen und sie zu fragen, welche Ideen sie hat. Wer den Status des anderen anerkennt und sich auch nicht provozieren lässt, weil das Gegenüber es an Respekt fehlen lässt, stärkt die eigene Position. Denn auch die will überlegt sein: In welcher Rolle gehe ich in die Verhandlung? Bin ich Zuhörer oder Angreifer? Biete ich mich an, Probleme zu lösen? Hier gilt es, sich eine Rolle zu suchen, die passt und den eigenen Interessen nützt.

Gefühle stehen einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss häufig im Weg. Der Verkauf des eigenen Hauses ist beispielsweise eng verbunden mit Erinnerungen, es hat einen hohen emotionalen Wert. Dieser beeinflusst wiederum die Entscheidung darüber, wer das Haus kaufen soll. Die Person, die es weiterhin hegt und pflegt, oder derjenige, der am meisten bietet, aber es wahrscheinlich hinterher abreißen wird? Auch Verhandlungen ums Erbe bieten Zündstoff, wenn die Emotionen hochkochen, einer sich benachteiligt fühlt, der andere ihm vorwirft, sich nie genug um die Eltern gekümmert zu haben. »Wenn wir emotional sehr verstrickt sind, wird es schwer, das gut geregelt zu kriegen«, so von Groote. »In solchen aufgewühlten Situationen finde ich eine Moderation immer hilfreich.«

In geschäftlichen Beziehungen ist es bereits üblich, Verhandlungsgespräche von Profis führen zu lassen, die sich damit auskennen. Im privaten Bereich können unter anderem Mediatoren helfen. Sie vermitteln, wo es einen Konflikt zwischen mehreren Parteien gibt – und einen Willen, diesen beizulegen. Deutschlandweit gibt es etwa 2000 lizenzierte Mediatorinnen und Mediatoren, die sich zum Beispiel über die Website des Bundesverbands Mediation (BMEV) finden lassen. Auch Suchmaschinen wie mediator-finden.de/mediatorsuche können ihre Ergebnisse nach Bedarf so filtern, dass sie ausschließlich Mediatoren mit Anerkennung eines Berufsverbands anzeigen.

Nicht bei jeder Verhandlung geht es ums Ganze. Es reicht schon, sich mit der Partnerin darüber auseinanderzusetzen, ob es im nächsten Urlaub ans Meer oder in die Berge gehen soll. »Ich werde die Sachebene dann nicht von der Beziehungsebene trennen können«, so von Groote. »Aber ich kann mir Gedanken darüber machen, Brücken zu bauen oder Kompromisse einzugehen.« Wichtig sei ein wertschätzender, konstruktiver Umgang miteinander.

Ob extrovertiert oder konfliktscheu – Fachleute sind sich einig, dass jede Person in der Lage sein sollte, für die eigenen berechtigten Interessen einzustehen. Claudia Kimich geht deshalb mit ihrer Klientel regelmäßig ins Rollenspiel, übt verschiedene Situationen, trainiert verbale Schlagfertigkeit. Für das Training zu Hause empfiehlt sie die Marmeladenglas-Taktik, bei der jedes kleine Erfolgserlebnis mit dem entsprechenden Gefühl notiert und in ein Marmeladenglas gesteckt wird. Später hilft es dann, sich diesen Erfolg wieder zu vergegenwärtigen und sich zu vergewissern, dass man schon öfter etwas Ähnliches geschafft hat. »Wenn ich diesem guten Gefühl nachspüren kann, macht das was mit meinem System.« Und die nächste Verhandlung startet etwas entspannter.

Tipps fürs Feilschen: Mit Taktik zum besten Preis

Preisanker setzen

Wer als Erstes einen Preis nennt, setzt den sogenannten Anker, an dem sich die weitere Verhandlung orientiert. Bei einem bereits bekannten Preis kann auch ein virtueller Anker gesetzt werden. Beispiel: Ein Koffer soll 299 Euro kosten. Die Käuferin gibt an, ihn woanders für 229 Euro gesehen zu haben, sie sei aber bereit, auch 240 Euro zu zahlen. So setzt sie im Kopf des Händlers einen neuen Preisanker und signalisiert ihm zusätzlich ein Entgegenkommen.

Präzise Preise

Der Sozialpsychologe David Loschelder hat in Zusammenarbeit mit anderen Forschenden herausgefunden, dass auf den Cent genaue Preisangebote bei Verhandlungen besonders erfolgreich sind. Für die Studie bot das Team auf einem Online-Marktplatz für 120 verschiedene Artikel, die für 200 Euro inseriert waren. Boten sie 121,37 Euro für einen Satz Felgen, der für 200 Euro angeboten wurde, mussten sie am Ende deutlich weniger Geld auf den Tisch legen als bei einem Gebot von 120 Euro oder 115 Euro. Genauso ließ sich ein Möbelstück für mehr Geld verkaufen, wenn der Anfangspreis bei 1185 statt 1200 Euro lag. »Die Präzision der Zahl suggeriert dem Verhandlungspartner, dass man sich Gedanken gemacht hat um den Preis«, so die Erklärung des Wissenschaftlers. Diese Ergebnisse lassen sich laut Loschelder auch auf Gehaltsverhandlungen übertragen.

Gewinn des Gegenübers betonen

Wer in einer Verhandlung betont, was die Gegenseite dabei alles gewinnen kann, macht bessere Abschlüsse. Das zeigt eine Studie des Organisationspsychologen Roman Trötschel. Deshalb ist beispielsweise der Satz »Ich biete Ihnen 5000 Euro für den Gebrauchtwagen« erfolgversprechender als »Ich nehme den Gebrauchtwagen für 5000 Euro«. Denn bei der ersten Variante wird das Interesse des Gegenübers, nämlich der Gewinn, im Blick behalten.