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Vertragswechsel: So retten Sie Ihre Alterungsrückstellung

Viele Versicherte der privaten Krankenversicherung haben zum Teil deutliche Beitragserhöhungen erhalten. Doch dagegen kann man sich wehren, auch wenn der Weg nicht einfach ist

© Emma Simpson

Für viele privat Krankenversicherte begann das neue Jahr unschön: Die Anbieter erhöhten die Versicherungsbeiträge. Und das nicht zu knapp. Im Schnitt wird es um 8,1 Prozent teurer, Marktführer Debeka hat seine Sätze sogar um durchschnittlich 17,6 Prozent angehoben.

Für viele Versicherte gilt nun: Eine Reduzierung der Kosten muss her. Dabei müssen Privatversicherte einiges beachten. Denn ein Tarifwechsel ist innerhalb der PKV nicht so einfach, und auch widersprechen kann man den Tariferhöhungen nicht. Denn als Kunde ist man einen Vertrag eingegangen, der lebenslange Rechte garantiert. Dafür hat die PKV das Recht und die Pflicht, die Beiträge regelmäßig anzupassen. So ist es gesetzlich festgelegt: Unterscheiden sich kalkulierte und tatsächliche Leistungen um mehr als zehn Prozent, muss die Prämie angepasst werden. »In den meisten Fällen bedeutet das eine Erhöhung der Beiträge«, erklärt Nicola Ferrarese von der Minerva Kundenrechte GmbH. »Allerdings gibt es auch Tarife, die abgesenkt werden müssen.«

Alterungsrückstellung

Doch auch wenn der Tarif steigt und nicht sinkt, sollte man einen kühlen Kopf bewahren. Auf keinen Fall sollte man seine PKV voreilig kündigen. »Bei einer Kündigung gehen alle bisher erworbenen Rechte verloren«, erklärt Ferrarese. Das sind vor allem die garantierten Erstattungsansprüche für schon eingetretene Vorerkrankungen und die angesparten und beitragsmindernd wirkenden sogenannten »Alterungsrückstellungen«.

Gerade langjährig versicherte Kunden haben über die Jahre hohe Alterungsrückstellungen aufgebaut, die sie bei einer Kündigung vollständig verlieren. Und der neue Anbieter verlangt für Vorerkrankungen Risikozuschläge, Leistungsausschlüsse oder lehnt ganz ab.

Tarifwechsel

Da Kunden ab einem bestimmten Zeitpunkt an ihre PKV-Unternehmen gebunden sind, hat der Gesetzgeber 1994 das sogenannte Tarifwechselrecht (§ 204 Versicherungsvertragsgesetz – VVG) festgeschrieben. Das Ziel damals und heute war der Schutz vor Beitragserhöhungen im alten Tarif. Kunden müssen laut Gesetz die Möglichkeit bekommen, in beitragsgünstigere Alternativtarife des eigenen Versicherers auszuweichen – ohne Verlust der Alterungsrückstellung.

Am besten ist es daher, wenn innerhalb der PKV der Tarif gewechselt wird. Die Versicherer müssen zwar Alternativtarife nennen. Doch die Krux ist: »Tarifempfehlungen der Versicherer sind in der Regel nicht brauchbar«, schränkt Ferrarese die Erfolgsaussichten ein.

»Die Versicherer wollen ja kein Verlustgeschäft machen.« Daher sollte man als privat Krankenversicherter eingegangene Angebote von einem auf Tarifwechsel spezialisierten, sachverständigen Berater prüfen lassen.

Denn um zielgerichtet den für ihn lohnenden Tarifwechsel beantragen zu können, muss der Kunde zuverlässig wissen, dass es tatsächlich – gleichwertige – Tarife gibt, die nicht nur vorübergehend beitragsgünstiger sind. Dabei helfen unabhängige Berater mit versicherungsmathematischem Sachverstand, Zugang zu den relevanten Informationen und viel Erfahrung im PKV-Tarifwechsel. »Man muss alle Zusammenhänge kennen und braucht einen Überblick über die einzelnen Tarifbedingungen und über die Beitragsentwicklung der Tarife«, so Ferrarese. »Und die Versicherer sind zu keiner Beratung verpflichtet, die darüber hinausgeht, dem Kunden mitzuteilen, dass es günstigere Tarife gibt.« Auch klassische Vermittler sind hier keine Hilfe, denn Vermittler werden vom Versicherer bezahlt, im Zweifel werden sie also vermutlich eher teurere Tarife empfehlen.

Unabhängige und sachverständige Berater dagegen stehen auf der Seite der Kunden. Somit versuchen sie, den Kunden so viel Leistung wie möglich zu sichern. Honorar erhalten sie nur, wenn Kunden den Tarif nach Recherche und Unterstützung auch wirklich wechseln. Damit ist sichergestellt, dass diese Berater die Kunden so ehrlich und kostensparend wie möglich beraten.

Ein Wechsel in einen anderen Tarif beim gleichen Versicherer hat einen weiteren Vorteil: Dafür ist keine erneute Gesundheitsprüfung notwendig. Nur wenn in umfassendere Tarife mit mehr Leistung gewechselt wird, kann das Versicherungsunternehmen einen Risikozuschlag und eine Wartezeit verlangen. Beides können Kunden vermeiden, wenn sie auch im neuen Tarif auf die besseren Leistungen verzichten.

Sozialtarife der PKV

Standardtarif und Basistarif sind die sogenannten Sozialtarife der PKV, die brancheneinheitlich, also Versicherer-übergreifend, geregelt sind. Sowohl Standardtarif als auch Basistarif erfüllen denselben Zweck: Da die Beiträge in den normalen Vollversicherungstarifen der PKV grundsätzlich unbegrenzt steigen können, müssen PKV-Unternehmen auch Sozialtarife anbieten, deren Beitrag unterhalb des Höchstbetrags der GKV liegt. Bis Ende 2008 gab es nur den Standardtarif, der diesen Zweck erfüllte. Im Zuge der Einführung der Pflicht zur Krankenversicherung zum Januar 2009 wurde zusätzlich der Basistarif eingeführt. In diesem Basistarif gilt als einzigem Tarif der PKV »Versicherungszwang«, daher darf das PKV-Unternehmen in diesem Tarif keine Risikozuschläge verlangen.

Beide Tarife stehen nicht jedem offen, Zugangsvoraussetzung ist etwa ein Mindestalter von 55 Jahren. Ein Wechsel zurück in einen normalen Vollversicherungstarif wird damit verbaut. Ein Wechsel in Standard- oder Basistarif ist strikt zu vermeiden, solange nicht vorher alle anderen vertraglichen Optionen gründlich geprüft worden sind.

Eine andere Möglichkeit der Kostenreduktion ist der Verzicht auf Leistungen, doch das sollte die letzte zu prüfende Option sein. Besser ist es, wenn Berater erst einmal nach Tarifen mit gleichwertigen oder besseren Leistungen suchen, die weniger kosten. Erst danach sollte geprüft werden, ob Leistungsreduktionen sinnvoll sind.

Der Standardtarif ist zurzeit meist günstiger als die meisten Normaltarife, bietet aber nur sehr begrenzte Leistungen. Abrechnungen mit Arztpraxen sind oft problembehaftet, sodass regelmäßig erhebliche Anteile der Kosten selbst getragen werden müssen. Der Basistarif ist oft teuer als Normaltarife und bietet trotzdem nur begrenzte, teils an die GKV angelehnte Tarife. Auch hier sind oft ein Teil der Behandlungskosten selbst zu tragen. Vorteil: Bei festgestellter Bedürftigkeit muss das Sozialamt die Hälfte der Beiträge übernehmen.

Gerichtliche Kontrolle

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Dezember 2020 festgelegt, dass Begründungen für Beitragserhöhungen gerichtlich überprüfbar sind. Dieses Urteil machte es für privat Versicherte möglich, Erhöhungsschreiben juristisch auf Richtigkeit prüfen zu lassen. Im Februar 2020 erstritt ein Kläger vor dem OLG Köln von der AXA-Versicherung eine Rückzahlung von etwa 3500 Euro. Ein Urteil gegen die DKV ergab eine Rückerstattung von 9500 Euro.

Rückkehr in die GKV kaum möglich

Bis zur Altersgrenze von unter 55 Jahren besteht grundsätzlich noch die Möglichkeit, in die GKV zu wechseln.

Diese Voraussetzungen müssen vorliegen: Für Angestellte tritt die Versicherungspflicht in der GKV dann ein, wenn ihr Bruttoeinkommen wieder unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze rutscht. Diese Grenze liegt 2021 bei 64350Euro. Selbstständige müssen im Haupterwerb wieder eine Angestelltentätigkeit annehmen, damit sie in der GKV versicherungspflichtig werden. Für die allermeisten ist es nicht möglich, die Lebensumstände derart zu ändern, dass sie in die GKV zurückkehren können.

Für über 55-Jährige ist es unter normalen Umständen ausgeschlossen, in die GKV zurückzukehren. Für sie gibt es nur noch Härtefall-Regelungen – etwa bei sehr geringem Einkommen eine Familienmitversicherung beim GKV-versicherten Lebenspartner oder bei Vorliegen einer Schwerbehinderung.

Doch ein Wechsel in die GKV macht in den allerwenigsten Fällen Sinn. Selten liegen die beschriebenen Voraussetzungen vor, oft kommt die GKV die Betroffenen sogar noch teurer.

Vertrag: So retten Sie Ihre Altersrückstellungen

Gleicher Versicherer

Wer seinen PKV-Vertrag bis zum 31. Dezember 2008 abgeschlossen hat, sollte einen Anbieterwechsel auf jeden Fall vermeiden. Für diese Altverträge würden die kompletten Altersrückstellungen verloren gehen.

Alterungsrückstellungen

Die Alterungsrückstellungen frieren die Tarife sozusagen auf dem Niveau ein, die bei Eintritt in die PKV galten. Mit diesen werden die typischerweise höheren Kosten im Alter sozusagen geglättet, das heißt über den gesamten Lebenszyklus verteilt werden. Auch ältere Versicherte sichern sich so günstige Konditionen. Von den regulären Beitragsanpassungen abgesehen, bleibt der Tarif auf dem Niveau, auf dem man ihn einmal abgeschlossen hat. Würden diese Vertragsnehmer nun den PKV-Anbieter wechseln, wären die Altersrückstellungen hinfällig. Beim neuen Anbieter würden sie sich außerdem teurer versichern müssen.

Neue Verträge

Wer seinen Vertrag mit der privaten Krankenversicherung erst nach 2009 geschlossen hat, kann unter Mitnahme wesentlicher Teile seiner Altersrückstellung wechseln. Immerhin 80 Prozent können diese Kunden mitnehmen. Doch 20 Prozent der Altersrückstellungen gingen auch in diesem Falle verloren. Auch hier wäre also als Erstes ein interner Tarifwechsel zu prüfen.

Anzeigepflicht

Älteren Versicherungsnehmern droht auch eine andere Gefahr, die Anzeigenpflichtverletzung. Das ist das Verschweigen von Vorerkrankungen. Das kann auch unwissentlich passieren, etwa weil die Krankheiten den Versicherten selbst noch nicht bewusst sind. Doch so oder so kann das zum Rücktritt der PKV-Unternehmen führen.

Zurück zur Basis

Wer aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung seinen normalen Vollversicherungstarif verliert, kann nur noch in den Basistarif wechseln. Dieser hat meist ein deutlich schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis.