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Altersvorsorge: Ab wann lohnt sich die Riester-Rente?

Vor 20 Jahren wurde die Riester-Rente geboren, um Einschnitte bei der gesetzlichen Altersvorsorge zu kompensieren. Namensgeber war der damalige Arbeitsminister Walter Riester.

© Matthew Bennett

Eigentlich hatte alles so schön angefangen. Geldgeschenke vom Staat und außerdem ohne Risiko an der Börse dabei sein. So präsentierte sich die Riester-Rente, als sie vor 20 Jahren an den Start ging. Doch zu ihrem Jubiläum hagelt es Kritik. Die Riester-Rente sei zu teuer und zu bürokratisch. Die staatliche Förderung würde mehr oder weniger für die Kosten draufgehen. Versicherte, so ein häufiger Vorwurf, müssten 100 Jahre und älter werden, um ihr Geld zurückzubekommen.

Deshalb forderte SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe Mitte Mai, dass die Riester-Versicherung mit einem Bestandsschutz für bestehende Verträge auslaufen solle. Dass ausgerechnet die SPD das Ende der Riester-Rente fordert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn seinerzeit hatte der damalige Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) diese Variante der Altersvorsorge aus der Taufe gehoben. Mit diesem Schachzug hatte die damals von Gerhard Schröder geführte rot-grüne Bundesregierung versucht, die Absenkung des Rentenniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung abzufedern.

Die aktuellen Absetzbewegungen dürften viele verunsichern, die einst mit einer Kombination aus Zulagen und Steuervorteilen in einen Riester-Vertrag gelockt wurden.

Ist die Riester-Rente ein Flop?

Auf diese Frage gibt es kein Ja oder Nein als Antwort, denn in der Praxis hängt es meist von der individuellen Fallkonstellation (Laufzeit des Vertrages, Förderquote usw.) ab, ob und wie sich so ein Vertrag lohnt. Hinzu kommt, dass ältere Policen teilweise noch traumhafte Konditionen haben. Klassische Riester-Versicherungsverträge, die 2002 oder 2003 abgeschlossen wurden, bieten z.B. noch eine garantierte Verzinsung des Sparanteils der Beitragszahlungen von 3,25 Prozent. Wer sich zwischen 2004 und 2006 für eine klassische Riester-Rentenversicherung entschieden hatte, kann sich immerhin noch über eine garantierte Verzinsung von 2,75 Prozent freuen.

Eine Stornierung eines solchen Vertrages wäre daher nicht ratsam. Auch ein Wechsel des Anbieters sollte in diesen Fällen vermieden werden. Denn neben den Kosten für einen Wechsel würde der neue Anbieter heute gerade einmal noch 0,9 Prozent Zinsen garantieren.

Nettorendite

Doch was ist nun unter dem Strich bei so einem Riester-Vertrag bisher über die Jahre herausgekommen? Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat 57000 reale Riester-Verträge ausgewertet, die bis Ende 2020 zur Auszahlung gekommen sind. Auf dieser Basis beziffert das IVFP die durchschnittliche Nettorendite für einen Riester-Vertrag (nach Kosten, Förderung und Besteuerung) mit 2,5 Prozent p.a. Verglichen mit den Renditen, die andere risikofreie Geldanlagen wie z.B. Bundesanleihen oder Sparbücher abwerfen, ist das durchaus beachtlich.

Höhe der Rente

So weit, so gut. Doch was bedeutet das mit Blick auf die Höhe einer Riester-Rente konkret? »Diese Frage ist menschlich verständlich, lässt sich aber nicht ohne Weiteres beantworten«, erklärt IVFP-Geschäftsführer Professor Michael Hauer. »Denn die Höhe jeder Renten- oder Lebensversicherung«, so Hauer, »hängt natürlich auch von den gezahlten Beiträgen und dem Zeitraum ab, in dem Beiträge geflossen sind. Hinzu kommt, dass viele Riester-Sparer die Möglichkeit nutzen, sich zu Rentenbeginn bis zu 30 Prozent des angesparten Kapitals als Einmalbetrag auszahlen zu lassen.«

Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, sieht das anders. »Die Versicherer kalkulieren immer öfter mit völlig überhöhten Lebenserwartungen von teilweise 110 oder sogar 120 Jahren. Dadurch sinkt die Rentenhöhe, gleichzeitig steigen die Risikoüberschüsse der Versicherer. Es ist eben ein Unterschied, ob Sie das über die Jahre erwirtschaftete Kapital über 30 oder über 50 Jahre verteilt auszahlen.«

Kosten: Ab wann ist man im Plus?

Betrachtet man jedoch lediglich die selbst aufgebrachten Beiträge eines Riester-Sparers, also ohne Zulagen, ergibt sich wieder ein anderes Bild. »Setzt man das Vermögen, das mit einem solchen Vertrag erwirtschaftet wurde, ins Verhältnis zur Lebenserwartung eines Riester-Sparers, erreicht er nach etwa 14 bis 16 Jahren den sogenannten Break-even«, erklärt Michael Hauer. »Das heißt, ab diesem Zeitpunkt übersteigen seine Renten, die er erhält, die Eigenbeiträge, die er selbst in seinen Vertrag gezahlt hat. Wer also z.B. mit 66 in Rente geht, muss durchschnittlich 80 bzw. 82 Jahre alt werden, damit er mit seinem Vertrag ein Plus macht.«

Aber was ist mit den Kosten? Ist Riester zu teuer? Dieser Kritikpunkt steht bereits seit Langem im Raum. Doch verlangen die Versicherer tatsächlich höhere Kosten im Vergleich zu privaten Rentenversicherungen?

»Hierfür haben wir beispielhaft in einem Musterfall für 14 Versicherer die Effektivkosten klassischer Rentenversicherungen, sowohl für Riester-Verträge als auch für Produkte der dritten Schicht, berechnet«, erklärt Hauer. »Im Mittel unterscheiden sich die Effektivkosten beider Produktgattungen kaum, das heißt, die Versicherungsunternehmen erheben in der Regel keine zusätzlichen Kosten für Riester-Verträge.«

Axel Kleinlein gibt sich nicht beeindruckt. »Das zeigt doch nur, dass private Rentenversicherungen mittlerweile ebenfalls völlig überteuert und auf keinen Fall zu empfehlen sind.«

Teure Riester-Bürokratie

Was bei Riester jedoch kostenmäßig zu Buche schlägt, ist der Aufwand, den die staatlichen Vorgaben bei der Verwaltung der Zulagen verursachen. »Jedes Jahr gibt es 900000 Zulagenrückforderungen, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht eingehalten wurden«, kritisiert Peter Schwark, Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). »Unser Vorschlag: Der Staat sollte künftig erst prüfen und dann zahlen. Damit würde man dieses Durcheinander bei den Zulagen vermeiden und die damit verbundenen Kosten um bis zu 90 Prozent senken.«

In der Zins-Falle

Mit einer durchschnittlichen Nettorendite von drei Prozent hat sich die Riester-Rente als risikofreie Geldanlage bislang gut geschlagen.

Doch die Tendenz ist negativ. So betrug die Nettorendite einer Riester-Rente 2018 noch 3,4 Prozent. Zwei Jahre später waren es noch 2,5 Prozent.

»Das eigentliche Problem der Altersvorsorge ist das niedrige Zinsniveau«, resümiert Schwark. Indirekt bestätigen das selbst Kritiker wie der SPD-Finanzexperte Ralf Kapschak. Er meinte, man müsse zur Ehrenrettung von Riester sagen, dass es damals ein anderes Zinsniveau gab.

Verbraucherschützer Axel Kleinlein widerspricht: »Andersherum wird ein Schuh daraus. Die Versicherer haben ihre Tarife mit Zinsen kalkuliert, die es vor 20 Jahren gab. Und sie haben keine Vorsorge getroffen, was passiert, wenn sich der Wind einmal dreht.«

Bei klassischen Riester-Versicherungen fließt ein großer Teil der gezahlten Beiträge und Zulagen in festverzinsliche Wertpapiere. »Das bleibt nicht ohne Folgen für die Renditen, die mit Riester-Verträgen erzielt werden«, warnt Schwark. Durch den Zwang zu unverändert hohen Garantien werde es für die Branche immer schwerer, chancenorientiert anzulegen. »Die niedrigen Zinsen verhindern, dass die Versicherer einen größeren Teil der Kundengelder in renditestarke Anlagen fließen lassen können, die mehr Risiko bedeuten.«

Vor diesem Hintergrund wundert es dann auch nicht, dass z.B. die DWS mit etwa 650000 Bestandskunden, die sich in der Vergangenheit für ein Riester-Produkt der DWS entschieden hatten, ihr Riester-Neugeschäft zum 1. Juli eingestellt hat. Die vollständige Beitragsgarantie dieser Produkte, so heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens, erweise sich im Umfeld anhaltender Niedrigzinsen zunehmend als Bürde für Vorsorgesparer, da das Kapital fast ausschließlich in konservative und negativ rentierende Anleihen investiert werden muss. »Es bleibt kein Spielraum für chancenreiche und substanzwertbasierte Aktienanlagen.« Bestandsverträge würden weitergeführt.

Die DWS ist kein Einzelfall. Auch bei den meisten anderen Anbietern dürfte die Stimmung ähnlich sein. Versicherer wie zum Beispiel die Debeka, die Nürnberger, die Postbank Versicherung oder die Cosmos Direkt hatten ihr Neugeschäft bei Riester-Verträgen sogar bereits vorher eingestellt.

Was können Kunden jetzt tun?

Wer mit seinem Vertrag nicht zufrieden ist, sollte auf keinen Fall kündigen. Denn in diesem Fall müsste man alle Zulagen und Steuervorteile, die man bis dahin erhalten hat, zurückzahlen. Wer angesichts der derzeitigen Diskussion das Vertrauen in seinen Vertrag verloren hat, kann seine Police zumindest beitragsfrei stellen. Auf diese Weise zahlt man nicht länger, erhält aber auch keine weiteren Geldgeschenke.

Um sich ein klares Bild zu verschaffen, sollte man versuchen, auch bei Riester zu differenzieren: Die klassischen Versicherungen werfen auf lange Sicht meist eine geringere Rente ab als z.B. die fondsgebundenen Versicherungen. Zwar garantiert der Versicherer auch bei dieser Variante die Bruttobeiträge zu Rentenbeginn, doch ein Teil der Beiträge wird in ein oder mehrere Investmentfonds angelegt. Damit kann der Riester-Sparer ohne Risiko an den Renditechancen partizipieren, die die Aktienbörse bietet. Doch auch hier gibt es unterschiedliche Varianten. So fließen bei einigen Anbietern nicht die Beiträge, sondern nur die Überschüsse in Fonds.

Beim IVFP geht man langfristig von einer Rendite nach Kapitalanlagekosten für fondsgebundene Riester-Policen von vier Prozent aus. Was das für Sparer bedeuten kann, die sich für eine fondsgebundene Riester-Rente entscheiden, zeigt die Beispielberechnung.

Geringverdiener: So viel ist drin 

Beispiel: Ehepaar, beide 30 Jahre alt; beide Arbeitnehmer; beide gesetzlich rentenversichert; beide kirchensteuerpflichtig in Bayern; 2 Kinder geboren 2012 und 2015, Ausbildungsende mit 21 Jahren; Rentenbeginn mit 67; Steuersatz in der Ansparphase 26,65%

Anlage in fondsgebundener Riester-Rente: 4% Rendite nach Kapitalanlagekosten, 9,5% Verwaltungskosten, 2,5% Abschlusskosten, 2,6% Verrentungszins

  Mann Frau
Gehalt 30 000 € 15 000 €
Bruttobeitrag p.a. 1 200 € 835 €
Zulagen p.a. 175 € 775 €
Nettobeitrag p.a. 1 025 € 60 €
Bruttorente mit 67 Jahren p.a. ab 2058 4 916 € 2 800 €
  Beide
Angespartes Kapital in der Ansparphase 165 153 €
Nettobeiträge in der Ansparphase 60 778 €
Zulagen in der Ansparphase 21 650 €
Steuerersparnis in der Ansparphase 6 899 €
Förderquote 46,68 %

Quelle: IVFP

Was können Einsteiger tun?

Prüfen Sie anhand Ihrer familiären Situation, auf wie viel geschenktes Geld Sie verzichten, wenn Sie keinen Vertrag abschließen. Als Faustregel gilt, je geringer Ihr Verdienst und je höher die Zahl der Kinder, desto interessanter ist Riester. Kalkulieren Sie diese Zahlen mit Ihrem Berater in aller Ruhe durch.

Wichtiger als Zulagen und Steuervorteile ist der Zeithorizont, den Sie für Ihre Altersvorsorge haben. Bei einem Anlagehorizont von 20 Jahren und mehr können fondsgebundene Policen und Riester- Fonds mit hohen Aktienquoten erfahrungsgemäß hohe Renditen erzielen. Was das konkret bedeutet, zeigt die Bilanz, die der Marktführer Union Investment aktuell für sein Riester-Geschäft zieht (siehe Abbildung S. 34 unten). Bei dem von Union verwalteten Riester-Vermögen von 23,39 Milliarden Euro entfallen allein 13 Milliarden Euro auf den erzielten Wertzuwachs an der Börse und die Zulagen. Hier zahlt sich die hohe Aktienquote aus.

Denn bei der UniProfiRente, dem Riester-Flaggschiff von Union Investment, startet jeder Anleger unabhängig vom Alter zu 100 Prozent in Aktien. Diese Quote kann für ihn theoretisch bis zum Rentenbeginn beibehalten werden. In der Vergangenheit wurde der Aktienanteil auf zehn Prozent heruntergefahren, wenn die Aktienkurse deutlich fielen. Das Geld wurde dann in Anleihen umgeschichtet. »Damit unsere Kunden mit lang laufenden Verträgen auch nach einer Umschichtung Rendite erzielen können, erhöhen wir den Aktienanteil für jüngere Kunden jetzt deutlich«, erklärt Wolfram Erling, Leiter Zukunftsvorsorge bei Union Investment. Denn seit 1. Juli verbleiben bei einer Umschichtung 40 Prozent des bis dahin angesparten Vermögens in Aktienfonds. Voraussetzung für die höhere Aktienfondsquote ist, dass die Vertragslaufzeit bis zum Rentenantritt des Sparers noch mehr als 25 Jahre beträgt.

Bei kürzeren Laufzeiten bleibt die Aktienquote wie bisher bei zehn Prozent, sie kann aber auch wieder ansteigen. Zudem wurde für Neukunden die Mindestlaufzeit für Riester-Verträge auf 20 Jahre angehoben. 

Streitpunkt: Zulagen besser in die gesetzliche Rente?

Kritiker der Riester-Rente fordern immer wieder, die staatlichen Zulagen, mit denen Riester-Verträge gefördert werden, in die gesetzliche Rentenkasse zu zahlen. Das wäre, so das Argument, mit Blick auf die Renten, die die Deutsche Rentenversicherung zahlt, effektiver. Denn während für eine monatliche Rente von 100 Euro bei einer kapitalgedeckten, privaten Rentenversicherung – und nichts anderes ist Riester – schätzungsweise 30000 Euro auf dem Rentenkonto gebucht sein müssen, würden dafür bei der gesetzlichen Rentenversicherung bereits etwa 26000 Euro reichen. Mit anderen Worten, würden die Riester-Zulagen in die gesetzliche Rente fließen, würde das für die Senioren mehr bringen.

Spielt man diese Möglichkeit rückblickend durch, ist das Bild jedoch ernüchternd. 2017 belief sich die staatliche Gesamtförderung für Riester-Verträge (Zulagen und Steuerermäßigungen) z.B. auf etwa 3,9 Milliarden Euro. Hätte man diese staatlichen Fördermittel stattdessen in die umlagefinanzierte, gesetzliche Rentenkasse eingezahlt, wäre bei einer gleichmäßigen Verteilung auf alle 21,2 Millionen Rentner eine »Zusatzrente« von monatlich ca. 15 Euro herausgekommen.

Der Kernansatz bei Riester, die Eigeninitiative der Menschen zu unterstützen, würde auf diese Weise zugunsten einer bloßen Verteilung von Geld verloren gehen. Und der Effekt, der bei den Rentnern ankäme, wäre »überschaubar«.

Hier können Sie Ihre Riester-Rente überprüfen