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Genussrechte: Viel Wind um ökologische Geldanlagen

Umweltprojekte sammeln Geld häufig mithilfe von sogenannten Genussrechten ein. Doch viele Anleger wissen nicht, worauf sie sich dabei eigentlich einlassen.

© Nattanan Kanchanaprat

Wenn es darum geht, an das Geld von Anlegern heranzukommen, reiten viele Unternehmen gerne auf der grünen Welle. Denn die Deutschen investieren gerne für Umwelt und Naturschutz oder alternative Energien. Das gilt ganz besonders, wenn man damit auch noch »garantiert« bis zu acht Prozent Zinsen pro Jahr verdient. Da kann man doch nichts falsch machen, oder?

Doch, und zwar ganz gewaltig. Denn der Weg zu einem guten Gewissen, versüßt mit bis zu acht Prozent Zinsen, führt immer öfter über Anlageformen, die es in sich haben. Dazu gehören insbesondere sogenannte Genussrechte. Da kann die gute Tat schnell zum Bumerang werden.

Was sind Genussrechte?

Genussrechte sind eine Mischung aus Anleihe und Aktie. Sie werden von Unternehmen herausgegeben, die sich auf diese Weise Geld beschaffen. Anleger erwerben mit einem Genussrecht für eine bestimmte Zeit eine »stille Beteiligung« an einem Unternehmen, zum Beispiel einem Windpark oder einer Solaranlage. Sie haben jedoch anders als bei einer Aktie kein Mitspracherecht bei gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen.

Laufzeit

Der Vergleich mit einer Aktie macht eine weitere Schwäche dieser Papiere deutlich. Wer ein Genussrecht kauft, ist für die Laufzeit, die sich meist zwischen drei bis zehn Jahren bewegt, mit dem Unternehmen »verheiratet«. Das heißt, man kommt nicht mehr an sein Geld, wenn sich plötzlich die Lebensumstände zum Beispiel durch Scheidung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit ändern. Auch wenn es dem Unternehmen schlecht geht, kann der Anleger sein Genussrecht nicht einfach zurückgeben und so sein Geld in Sicherheit bringen.

Umweltbank

Auch die honorige Umweltbank bietet aktuell Genussrechte zur Finanzierung von Umweltprojekten an. Dort ist man sich des Defizits für Anleger durchaus bewusst. Auf der Internetseite heißt es unter dem Punkt »Handelbarkeit«: »Die Umweltbank beabsichtigt während der Laufzeit einen haus-internen Telefonhandel für Genussrechte anzubieten.« Das ist sicherlich gut gemeint, aber im Fall des Falles keine einklagbare Rechtsposition für Anleger.

Genussscheine an der Börse

Genussscheine

Dabei handelt es sich um Genussrechte, die verbrieft wurden. Das bedeutet, der Genussschein ist ein Wertpapier bzw. de facto eine Urkunde, die die Rechte des Inhabers gegenüber dem Schuldner dokumentiert.

Vorteil: Genussscheine können an der Börse gehandelt werden. Theoretisch. Doch das ist in der Praxis eher selten der Fall. Einer der 82 Genussscheine, die aktuell an der Börse Stuttgart gehandelt werden, ist das Papier eines Anbieters alternativer Energien, der »Plambeck Neue Energien AG« (PNE).

Auf den ersten Blick fällt sofort auf, dass die Geld-Brief-Spanne bei diesem Wertpapier 29 Euro beträgt. Auf deutsch: Wer dieses Papier an der Börse Stuttgart kaufen will, muss dafür 99 Euro bezahlen. Wer das gleiche Papier verkaufen will, bekommt dafür 70 Euro. Ursache dürfte zum einen das geringe Emissionsvolumen (30 Millionen Euro) und zum anderen eben der geringe Handel sein.

Dadurch wird aber noch ein weiteres Problem deutlich. Anders als bei Aktien oder Anleihen, die an der Börse gehandelt werden, und für die im Sekundentakt ein Marktpreis ermittelt wird, muss der Anleger bei Genussrechten bzw. -scheinen auf die Preis- und Wertangaben des Emittenten vertrauen. Und die müssen nicht immer der Realität entsprechen.

Risiken

Während man über diese Nachteile von Genussrechten vielleicht noch hinwegsehen könnte, sollte man die Risiken, die mit diesen Papieren verbunden sind, als Anleger genau kennen. Dazu gehört, dass Genussrechte als nachrangige Gläubigerrechte gelten. Im Falle der Insolvenz des Unternehmens würden Besitzer von Genussrechten erst dann ihr Geld zurückbekommen, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld erhalten haben.

Hier wird deutlich, dass die überdurchschnittlich hohe Verzinsung dieser Papiere ihren Preis hat. Hinzu kommt, dass die hohen Zinsen anders als bei einem Festgeldkonto oder Sparbrief nicht garantiert sind. Im Verkaufsprospekt der Naturstrom AG, die vier Prozent Grunddividende für ihre Genussrechte bietet und ab 2017 sogar zusätzlich einen variablen Dividendenanspruch von noch einmal vier Prozent pro Jahr in Aussicht stellt, heißt es dazu: »Der Anspruch auf Auszahlung einer Dividende entsteht nur, wenn nach den jeweils gültigen Rechnungsvorschriften ein Jahresüberschuss vor Ertragssteuern und Dividenden auf Genussrechte ausgewiesen wird.«

Das Motiv

Hier wird deutlich, warum sich Windpark- und Solaranlagenbetreiber mit Genussrechten dieser Anlageform bedienen, um sich Geld zu besorgen. Würden sich diese Unternehmen das Geld in Form von normalen Unternehmens-Anleihen beschaffen, müssten sie die Zinsen dafür in jedem Fall zahlen, egal wie ihr Jahresabschluss ausfällt.

Wem vertrauen Sie Ihr Geld an?

Abgesehen von diesen Eigenarten von Genussrechten bleibt natürlich wie bei jeder Geldanlage die Frage: Wie solide und erfolgversprechend ist das Unternehmen, in das Sie Ihr Geld stecken? Gewöhnlich sind es kleine Betriebe, die sich über die Ausgabe von Genussrechten und -scheinen Geld besorgen. Und gewöhnlich ist es eine Anlageform, in die potente Privatleute mit unternehmerischer Risikofreude ihr Geld investieren.

Für branchenfremde Laien ist es sehr schwer, die Risiken zu erkennen. Bei großen Aktiengesellschaften ist das anders. Sie stehen im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung, werden ständig von zahlreichen Analysten unter die Lupe genommen und müssen zudem aktienrechtlich alle Anteilseigner und die Öffentlichkeit über Probleme informieren. Eine Alternative bietet hier eigentlich nur die Umweltbank. Unternehmen, deren Genussrechte das Kreditinstitut anbietet, prüft sie zuvor – wie bei einem Kreditantrag – auf ihre wirtschaftliche Solidität.

Kommentar: Genussrechte sind kein Sparbuch

Was Windpark- und Solaranlagenbetreiber da seit einiger Zeit tun, finde ich grenzwertig. Mit dem Verkauf von Genussrechten an private Anleger verlagern diese Unternehmen einen Teil ihres Risikos auf die Anleger. Gelockt mit hohen Zinsen ahnen die meisten wahrscheinlich überhaupt nicht, auf was sie sich da einlassen. Bis dahin könnte man sagen: selber schuld. Doch jeder sollte wissen: Acht Prozent Zinsen gibt es nicht umsonst. Mehr irritiert mich, dass bei diesen Geldanlagen der Wunsch der Menschen ausgenutzt wird, etwas für unsere Umwelt zu tun.

Entweder es geht um ein soziales Engagement oder um private Investments. Für Ersteres gibt es zahlreiche Beteiligungsformen. Ich denke dabei an Genossenschaften nach dem Vorbild der Idee von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch, die sich seit über 150 Jahren bewährt haben. Auch Bürgerwindparks, bei denen sich Menschen lokal für Konzeption, Finanzierung und Organisation eines Windparks engagieren, wirken auf mich vertrauensvoller.

Hier haben die Beteiligten größere Mitspracherechte als bei Genussrechten an In­vestitions­­vor­haben. Unternehmen, die nur Geld haben wollen, ohne sich »reinreden« zu lassen, sollten sich das Geld ehrlicherweise in Form von Anleihen besorgen. Anleger hätten dann Anspruch auf Zinsen, egal, welches Ergebnis das Unternehmen einfährt.